Ausgleich unter Geschwistern
Erfahrungsgemäß ist es zufällig, welche Vermögensgegenstände in einem Nachlass vorhanden sind. Häufig hat der Erblassser bereits zu seinen Lebzeiten über sein Vermögen zugunsten seiner Abkömmlinge, des Ehegatten oder Dritter verfügt. Bei der Nachlassverteilung sind dabei zwei rechtliche Problemkreise zu unterscheiden, die aber in bestimmten Fallkonstellationen ineinander verzahnt sein können:
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll zwischen formal quotengleich erbenden Abkömmlingen auch ein wertmäßiges Verteilungsgleichgewicht herbeigeführt werden. Die Regelungen zum Ausgleich von Vorempfängen haben primär diesen Ausgleich zwischen Geschwistern im Auge; sie gelten aber auch im Onkel-Neffen-Verhältnis, wenn ein Geschwisterkind vorverstorben ist.
Daneben soll den Abkömmlingen auch eine Mindestteilhabe am Nachlass ermöglicht werden. Diesem Anliegen dient das Recht über den Pflichtteil und die Pflichtteilsergänzung. Letzteres ist dann einschlägig, wenn der Nachlass durch lebzeitige freigiebige Schenkungen des Erblassers erheblich geschmälert wurde. Darum soll es aber im folgenden nicht gehen.
Wann liegt ein Ausgleichsfall vor?
Bei der Verteilung des Nachlasses unter gleich erbenden Abkömmlingen ist immer danach zu fragen, ob ein Abkömmling bereits zu Lebzeiten des Erblassers solche Vorempfänge erhalten hat, welche als Ausstattung oder als übermäßiger Zuschuss zu dessen Einkünften anzusehen sind. Für diese Fälle ordnet das Gesetz nämlich eine Ausgleichspflicht an, soweit der Nachlass reicht. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Abkömmlinge testamentarische oder gesetzliche Erben geworden sind. Auch spielt es keine Rolle, ob neben ihnen auch andere Personen zur Erbschaft berufen sind.
Eine Ausgleichung kommt auch dann in Betracht, wenn ein Abkömmling etwas gegeben hat; sprich: wenn er durch seine eigene Leistung dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers gemehrt wurde oder wenn er den Erblasser unter Verzicht auf eigenes Einkommen gepflegt hat. Der Beitrag zur Vermögensmehrung kann in einer längeren Mitarbeit im Haushalt, Geschäft oder Beruf des Erblassers oder in einer größeren Geldzahlung bestehen.
Wie erkennt man einen Ausstattung/ einen Übermaßzuschuss?
Ausstattungen unterscheiden sich von freigiebigen Schenkungen insbesondere dadurch, dass sie vom Zuwendenden in Befolgung einer sittlichen Pflicht gewährt werden. Im Gegensatz zu einer Schenkung ist eine Ausstattung für den Empfänger regelmäßig existenzrelevant, weil sie
- in Hinblick auf eine Heirat oder
- auf die Begründung einer Lebensstellung oder
- zur Begründung/ Erhaltung der Wirtschaft/ Lebensstellung
gewährt wird. Klassische Fälle für eine Ausstattung sind die Zuwendung einer Aussteuer, die Finanzierung eines Studiums und einer Promotion, die Einrichtung eines Handwerksbetriebes, die Zahlung der Betriebsschulden des Schwiegersohnes oder auch eine einmalige Kapitalzuwendung. Allerdings ist nur der angemessene Teil der Zuwendung als Ausstattung anzusehen. Ein darüber hinaus gehender Mehrempfang (Übermaßausstattung) ist als Schenkung zu qualifizieren und deshalb nicht ausgleichspflichtig. Dieser Mehrempfang kann aber dem Pflichtteilergänzungsrecht unterliegen.
Bei notariellen Übertragungsakten besteht oft Unklarheit, ob eine Ausstattung vorliegt, weil dort vielfach nur von einer „Übertragung“, „Zuwendung“ oder „Übergabe“ gesprochen wird. Es ist deshalb notwendig zu ermitteln, mit welcher Zielrichtung die Zuwendung erfolgt ist.
Bei den Zuschüssen ist nur der Anteil an den regelmäßigen Zuschüssen ausgleichspflichtig, der gemessen an den Lebensverhältnissen der Eltern über ein angemessenes Maß hinausgeht.
Die Ausgleichsvorschriften bewirken im Ergebnis eine Verschiebung der Erbquote zugunsten des Ausgleichsberechtigten, d.h. eine von der ursprünglichen Quote abweichende Verteilung des realen Nachlasses. Sie haben aber auch eine Fernwirkung für den Fall, dass mehrere Abkömmlinge enterbt worden sind, weil sie auch dann mit der gleichen Quote pflichtteilsberechtigt sind. Haben aber einige von diesen entweder ausgleichspflichtige Vorempfänge erhalten oder ausgleichspflichtige Leistungen erbracht, verschiebt sich auch hier der ihnen gebührende Pflichtteil wertmäßig.